Dienstag, November 29, 2005

Stranden bei den letzten Hippies

Der Spiegel Online berichtet über Goa. Meiner Meinung nach wird Goa ja etwas überschätzt. Bei den meisten Stränden kann man sich die weite Anreise ruhig sparen, an der Costa del Sol sieht es auch nicht anders aus (Liege an Liege, europäische Pauschaltouristen). Ausnahme ist Palolem. Sehr idyllisch, wenn das Wasser auch relativ flach und nicht so sehr zum Schwimmen geeignet ist. Sehr empfehlenswert ist m.E. auch Gokarna (südlich von Goa im Bundesstaat Karnataka). Gleich vier Strände und relativ menschenleer.



Wo in den achtziger Jahren noch dicke Haschischschwaden über den Stränden hingen, sonnen sich heute britische Rentner auf ihren Liegestühlen. Goa ist längst salonfähig geworden. In dem kleinsten indischen Bundesstaat findet jeder seinen passenden Strand.

"Da wird einem erst mal bewusst, wie wenig Luxus man eigentlich braucht", schwärmt Malcolm. Seit zehn Tagen bewohnt der 35-jährige IT-Experte aus Kanada in Palolem in einen spartanisch ausgestatteten Bambusbungalow mit Gemeinschaftsbad und Meerblick. Eigentlich wollte Malcolm nur drei Tage bleiben. Doch dann gefiel im das relaxte Strandleben so gut, dass er umdisponiert hat. Abends trifft er sich mit Reisenden aus aller Welt in einem der zahlreichen Restaurants unter dem Sternenhimmel. Wie er entdeckt hier so mancher gut situierte Enddreißiger den Charme des einfachen Strandlebens.

Palolem ist ein Traumstrand wie aus dem Bilderbuch gezaubert: Die sichelförmige Bucht ist mit Kokospalmen gesäumt, der Sand fein, das Wasser ruhig und klar. Noch gehört die Bucht im äußersten Süden Goas der internationale Travellerszene. Doch es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch hier die ersten Bulldozer anrücken und luxuriösere Hotels gebaut werden.

Bereits in den siebziger Jahren entdeckten Hippies und Aussteiger die endlosen Strände am Arabischen Meer. Damals entstand auch der berühmte Flohmarkt in Anjuna im Norden Goas. Rucksackreisende machten dort ihre Jeans und ihren Walkman zu Geld, um noch ein bisschen länger im indischen Strandparadies bleiben zu können.

Anjuna, Hochburg der Techno-Szene

Heute regiert in Anjuna längst der Kommerz. Jeden Mittwoch strömen Hunderte von Touristen zu dem mehrere Fußballfelder großen riesigen Flohmarkt in das verschlafene Küstendorf. Auf den engen Pfaden zwischen den Ständen herrscht dichtes Gedränge. Eine ältere Dame in Shorts feilscht um einen bemalten Holzelefanten, ein Pärchen mit zwei kleinen Kindern begutachtet eine bestickte Baumwolldecke. Hier gibt es alles, was Indiens Souvenirindustrie zu bieten hat: vom geschnitzten Elefantengott über bunt bestickte Röcke aus Rajasthan bis zur tibetischen Gebetsmühle.

Nach wie vor ist Anjuna Treffpunkt der alternativen Reiseszene. Aussteiger im Rentneralter knattern mit ihren Motorrädern über die schmalen Straßen, in den Cafés trifft man Rucksacktouristen aus aller Welt. Seit einigen Jahren ist Anjuna auch zur Hochburg der Techno-Szene avanciert, und Tausende von Vergnügungssüchtigen treffen sich hier in den Wintermonaten bei den berühmt-berüchtigten Strandpartys. Im Club Paradiso am Ortsende von Anjuna zucken hartgesottene Partygänger noch um 11 Uhr vormittags zu dröhnender Technomusik, während andere erschöpft auf einer der Terrassen vor sich hin dämmern.

Die meisten Pauschalurlauber bekommen davon nichts mit. Ihre Hochburg ist Calangute. Rund sieben Kilometer erstreckt sich der breite Sandstrand vom Baga Beach im Norden über den belebten Calangute Beach und den ruhigeren Candolim Beach bis zum vornehmeren Siquerim Beach, an dessen Ende hoch auf dem Felsen das luxuriöse Fort Aguada Beach Resort thront.

Portugiesische Bauten in Panaji

Am Strand reiht sich eine dürftig zusammengehämmerte Restaurant- oder Bar-Hütte an die andere. Vom englischen Frühstück bis zum karibische Cocktail ist hier alles zu haben. Wer etwas konsumiert, darf die Liegestühle umsonst nutzen. Die Fischer lassen sich durch die knapp bekleideten Urlauberinnen nicht stören und ziehen direkt daneben ihre schmalen Holzboote auf den Sand.

Wie wohl keine andere Region Indiens wurde Goa schon früh europäisch geprägt. Knapp ein halbes Jahrtausend portugiesische Herrschaft haben ihre Spuren hinterlassen. Weiß getünchte Kirchen, feudale Villen und westlich gekleidete Frauen bestimmen das Straßenbild. Besonders gut sichtbar ist das portugiesische Erbe in den alten Vierteln von Panaji, der Hauptstadt Goas. Schmale Häuser mit roten Ziegeldächern und den typischen über die Straße hängenden Holzbalkonen säumen die Straßen und auf dem Markt werden Chouricos, scharfe, geräucherte Würste aus Schweinefleisch verkauft.

Neun Kilometer entfernt liegen die Reste der einstigen Hauptstadt der Kolonie. Ende des 16. Jahrhunderts galt Old Goa als eine der prächtigsten Städte des Ostens. Heute zeugen nur noch einige Kirchen vom einstigen Reichtum. Etwas verloren stehen die imposanten Gebäude inmitten von gepflegten Parkanlagen mit uralten Bäumen.

"Bezahlen können Sie später"

Die längsten Strände des kleinen indischen Bundesstaates liegen südlich der Hauptstadt. Die Fahrt geht vorbei an malerischen Reisfeldern, ausgedehnten Palmenhainen und kleinen Dörfern bis zum über 40 Kilometer langen Corva Beach, der sich in verschiedene Strandabschnitte aufteilt. Ungefähr in der Mitte liegt der beschauliche Ort Benaulim. In den Palm Grove Cottages wohnt man in einem alten portugiesischen Kolonialhaus mit tief heruntergezogenem Schilfdach inmitten eines üppigen tropischen Gartens. Gegenüber gibt es Fahrräder für einen Euro pro Tag zu mieten. "Nehmen Sie einfach eines. Bezahlen können Sie später", sagt der Junge.

Besonderen Spaß macht das Radeln am Strand. Die Ebbe hat einen breiten Streifen harten Sands zurückgelassen. Der Fahrtwind ist angenehm kühlend. Nur Meer, Strand und Palmen, so weit das Auge reicht. Selbst die luxuriösen Hotelanlagen in Cavelossim und Mobor verstecken sich hinter den Dünen. In Goa darf man erst 500 Meter hinter der höchsten Flutlinie bauen.